Montag, 9. Dezember 2019

From seal to summit

Tag 1: 05. Dezember 2019

Morgens herrschte schon ein bisschen Aufregung auf der Podorange. Wir
lagen schon nicht mehr vor Anker und Brice steuerte die Insel Brabant an.
Allgemeines Nuschen in all den Sachen; eine Art Mensch und Material Tetris
zwischen den Gängen und Kojen. „ soll ich dies und jenes doch noch
mitnehmen? Wie kalt wird es werden?“. L’ explorateur Ueli kontrolliert ob
all die Zelte, Stangen und Heringe auch wirklich dabei sind.
Denn es heisst Biwak in der Antarkis für 3 Tage.
Nun werden wir mit dem Dinghi und all dem Mattos übersetzt. Wir winken
zurück: „ A la prochaine“ und hoffen, dass wir auf der Insel Brabant
wieder abgeholt werden; fast wie die Mannen von Shakelton’s Expedition auf
Elefant Island vor über 100 Jahren. Doch diese wussten wirklich nicht, ob
sie jemals wieder abgeholt werden. Wie die Geschichte schreibt, wurden sie
nach 128 Tagen gerettet. Bei uns sind es nur lächerliche Tage. Also alles
easy peacy.
Bald ist Goretex und Colltex im richtigen Sack und der Aufstieg geht los.
Grosse Konzentration ist gefragt um nicht etwa die Seerobbe anstatt den
Schleifsack hinten anzuhängen, denn seine grauschwarze Farbe, seine Form
und seine Dynamik ähnelt dem Ortlieb Schleifsack sehr.
Nun gut, wir steigen bei besten Wetterbedingungen bis auf ein
weitgezogenes Hochplateaux auf. Der „Campingplatz“ bietet perfekte Sicht
auf die antarktische Halbinsel und hunderten von Eisbergen. Die grosse
Bauphase beginnt mit Zelt, Küche, Toilette für Damen und Herren, Reduit
und Feierabendbänkli. Zum Znacht gibt’s für jeden eine Bouillon, wahlweise
Kichererbsen, Reis, Kebab, Mousse aux Chocolat oder Zitronencreme. Der
Maitre de cuisine zaubert dies locker aus der Küche, respektive aus dem
Beutel.
So langsam wird es zapfig und wir freuen uns auf den warmen Schlafsack.
Gut Nacht, auch ohne Nacht.

Tag 2: 06. Dezember 2019; Samichlausentag
Wunderbares Aufstehen nach einer Nacht im warmen Schlafsack. Der Porridge
ist schon gemacht und auf dem Teebeutel des Yogi Tees steht „Pflücke den
Tag“. Hier gibt’s zwar nichts zu pflücken, doch wir nehmen’s gelassen,
denn unser heutiges Tagesziel, der Gipfel des Mount Parry, ist ja schon
gut sichtbar. Wird wohl keine grosse Sache, diesen flachen Hoger. Also
gehen wir, und gehen, und gehen, und gehen.  Nach Stunden haben wir schon
100 Höhenmeter gemacht. Endlich steigt es an und der Blick zurück lässt
unser Camp verschwinden, nicht weil die Sicht verdeckt wäre sondern weil
die Distanz so gross wird. Und wir gehen und gehen und es wird 16.00; wir
werweisen wie hoch dieser Mount Parry wirklich ist. Ja, 8274 hoch ist er.
Wir haben also einen 8000er gemacht, jedoch in Fuss und nicht in Meter.
Was für ein überraschender, wunderbarer Gipfelblick in die steil nach
Westen abfallenden Flanken. Hier ist seriöses Gebiet! Frierend machen wir
uns Bereit und geniessen die Abfahrt in den enorm weiten Hängen bei besten
Schneeverhältnissen. Wieder ist die Sonne schon tief als wir unser Camp
erreichen, wieder gibt es Bouillon und Pasta und wir fallen nach dieser 10
Stundentour müde und zufrieden todmüde um. Schön kuschelig im Schlafsack
mit den feuchten Innenschuhen sagen wir dem gepflückten Samichlausentag
tschüss.

Tag 3: 07. Dezember 2019
Die Rituale schleifen sich ein, man weiss besser was man braucht, wo was
ist und schon sind wir wieder in der Seilschaft im Aufstieg. Der gestrige
Tag spürt man noch gut in den Knochen, doch nach der ersten halben Stunde
sind unsere Motoren warmgelaufen und wir steuern locker den „no Name Peak“
an. Reto führt uns souverän neben den Spalten durch. Ein Skidepot kurz vor
dem Gipfel und schon sind wir oben. Erneut gewaltige Aussicht bei bester
Sicht.
Wieder unten, gilt es unser schönes Camp wieder aufzulösen. Unsere
Schleifsäcke sind in der Abfahrt plötzlich viel dynamischer und überholen
uns gar. Wer hätte das gedacht?
Glücklicherweise holt uns die Podorange auch wie versprochen und nicht
erst in 128 Tagen ab; was für ein schönes zurückkommen aufs Schiff bei
einem kühlen Bier und hervorragender Fischsuppe, ein abrupter Wechsel der
Welten. Die Grillade und der Rotwein geben dem Tag den letzten Gong. Und
Tschüss.


Leider können die Antarktis-Reisenden frühestens von Ushuaia aus Bilder uploaden. 
Um dennoch einen Eindruck von den beschriebenen Erlebnissen zu bekommen, 
schalte ich Bilder auf, die während der Antarktis-Reise vor 2 Jahren aufgenommen wurden 
(auch mit dem Bergführer Ueli, dem Skipper Brice und dem Segelboot "Podorange").

Liebe Grüsse, Isabelle
(Blogbetreuerin und Mitreisende vor 2 Jahren)





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