Freitag, 13. Dezember 2019

Enterprise, Brabant Island, Cape Renard, Lemaire Channel, Port Lockroy

Seit unserer Biwaktour sind nun schon 5 Tage vergangen. Nein, wir sind
nicht untergegangen..., aber Guvernoren ist es 1914, ein Walfängerschiff,
das nun verrostet in einer Bucht der Enterprise Island liegt und sowohl
ansegelnden antarktischen Küstenseeschwalben Nistplatz bietet wie auch
anderen herangesegelten braungebrannten Banden, die einen Ruhetag
brauchen... Damit auch unserer Podorage.
Wobei Ruhetag... Dass man rund um Enterprise in andere Universen
verschlagen wird, suggeriert ja schon der Name.
Ruhetag am 9. Dezember nur für die Beine - die Arme durften uns rund um
die Insel paddeln, die Nase die stinkenden Pinguine erschnuppern, die
Augen Walrippen und -wirbel auf dem Grund eines glasklaren Buchtbecken
entdecken, die Ohren Wasserplätschern von schmelzenden Eiszapfen an
Eisklippen erlauschen, ... Dazu Gebirgsbachrauschen vom Tidengang zwischen
den Steinen, das Geheimnis einer Kiste an Deck eines halbverschneiten
holzigen, alten Walfängerbootes oder auf Augenhöhe zu einer Weddelrobbe
... Vorher und nachher und dazwischen immer wieder Gaumenfreuden an Bord,
das versteht sich mittlerweilen schon fast von selbst und kann doch nie
genug erfreuen und geschätzt werden!
Nach der zweiten Nacht am Wrack angelegt, ging es am nächsten Morgen früh
los, damit wir unserer Skitoureninsel, zu der wir Brabant Island erklärt
haben, am 10. und 11. Dezember von einer neuen Seite entdecken könnten.
Hier bestachen nicht mehr Distanzen, Weiten und Rücken, sondern
zerklüftete Gletscher, Spalteneinblicke, tiefverschneite und eingeeiste
Steilflanken, weisse Pyramiden und bekappte Felsgratspitzen.
Eine weisse Winter-Märchenwelt über einem Sternenhimmel anderer Art – das
Südpolarmeer von oben, tiefblau mit seinen versprengten Eisbrocken und
–bergen – hierhinein galt es einfach einzutauchen.
Die einen bis zum Hals, die anderen zum Glück nur mit der Kappe...
Denn diese Tage war der einzige Beweis, dass wir nicht wirklich abgehoben
hatten, die Schwerkraft, die weiter auf uns wirkte. Sowohl auf
Harscheisen, Sonnenbrillen wie eben auch auf (fotografierende) Menschen.
Aber das Glück war uns so hold, dass nichts und niemand in Spalten oder im
Meer verloren ging, sondern ihnen Wirklichkeit gewordene Träume erstiegen.
Nahtlos ging es aus den engen und weiten Bögen der zweiten Skitour in den
Zickzackkurs durch die Eisberge soweit wie möglich nach Süden.
Die Crew wollte in einer langen durchschifften Nacht bis zum Lemaire
Channel gelangen, also wollten wir auch... Und so haben wir erlebt, was
schon in Aneinanderreihung den Atem raubt, wie im realen Erleben... Auf
diese Erzählungen darf jeder gespannt bleiben. Hier also nur die
Auflistung:
Apéro an Deck an der Sonne mit Aussicht auf Felspfeiler, das
peninsularische Hochplateau, das sich zum ersten Mal von seinen Wolken
befreit hatte und dem Blick zurück auf unsere Skitourenberge;
Buckelwale in Sicht – einer und zwei... Blas, Rückenfinne, Abtauchblase
auf dem Wasser, Schwanzflosse... wieder und wieder... bis der eine Wal mit
seiner Schwanzflosse aufs Wasser zu schlagen begann - was für ein
eindrückliches Verhalten - dann und wann auch eine Seitenflosse oder ein
Maul...;
Zum Aufwärmen Nachtessen unter Deck bis unsere Podorange Kreise zu fahren
beginnt – ein Seeleopard auf einer Eisscholle lockt uns und will uns mit
seinen Tauchgängen in und um sein hellblauschimmerndes Pool wohl auch
hineinlocken, so aufmerksam und herausfordernd schaut er uns auf jeden
Fall an;
Jetzt geht der Vollmond genau über unserer Skitourenpyramide auf, aber
nicht, dass die Sonne schon untergegangen wäre, schliesslich hat sie noch
die Aufgabe die nun am Horizont auftauchende Orka-Sippe in malerisches
Licht zu tauchen;
Wieder kreise fahren, umzingelt von springenden Orkas – Jungen und Alten,
mit grosser und kleiner Finne, in grösseren  Gruppen und alleine, gegen
die Abendsonne, vor dem Vollmond, im Abendlicht, zum Greifen nah, am
Horizont...
Und plötzlich taucht im Getümmel noch einmal ein Buckelwal auf und zeigt
uns auf dem Schiff seine von Muscheln und Buckeln bewachsene Haut aus
nächster Nähe. Wo ist da oben und unten? Was für ein gigantisches Tier...;
Sonnenuntergang – es ist ja schliesslich auch schon fast Mitternacht;
Ewige Abenddämmerung – schön, schöner, am schönsten – Parry leuchtet uns
noch lange nach;
Nahtloser Übergang in die Morgendämmerung – letzte rosa Wolken wandeln
sich in rosa Gipfelspitzen bis wieder die ganzen Berge leuchten;

Bald schon taucht Cape Renard am Eingang des Lemaire Channels auf – leider
aber auch fast undurchfahrbares Eis.
Es bleibt so spannend und bezaubernd, dass auch jetzt keine Zeit zum
Schlafen bleibt.
Die Crew navigiert voller Ruhe durch das dichter werdende Eis. Wir sind
dafür in einem nicht endenden Freudentaummel, dann geht es nicht mehr
weiter... ausser das Kreuzfahrtschiff hinter uns schlägt uns vielleicht
einen Weg durch die enge Meerstrasse, die wir mit ihren steilen Felshängen
schon erkennen können. Bis sie da sind, gibt es Frühstück auf Deck -
frischgebackenen Zopf und die Früchtebrötchen -auch das lässt sich bei
Nacht in der Antarktis bewerkstelligen.
Leider entpuppt sich dann auch für den netten Captain Alexander von der
Silver Explorations das Eis zu dicht und das grosse Schiff bleibt vor uns
stehen. So drehen wir eben bei, um auf der Rückseite der „sept
soeurs“-Bergkette Port Lockroy, die südlichste Poststation zu erreichen.
Endlich minimer Spannungsabfall, die Gelegenheit zu etwas Schlaf zu kommen
- unter oder auf Deck, im Dinghi oder an den Mast gelehnt, sitzend oder
liegend,  ... sicher nicht zu lange, schliesslich bleibt das Wetter so
herrlich wie die Aussicht! Was für eine Nacht!

In Port Lockroy ist die Bucht noch halb zugefroren. Jetzt spielt die
Podorange für einmal doch ein bisschen Eisbrecher und ankert dann
eingefressen in einer tragenden, aber matschigen Eisschicht, denn hier ist
der Sommer definitiv ausgebrochen. Handschuhe und Kappe sind abgelegt, für
die Skitour am Nachmittag reicht das T-Shirt und in den langen Unterhosen
wird geschwitzt, der Sulz und den steilen Blick von unserem
Kletter-Steigeisen-Grätchen hinunter auf unser so herrlich daliegendes
Schiff dafür umso mehr genossen.
Um halb 9 kommen wir zurück. Kein Grund den Apéro auf Deck auszulassen.
Nachtessen dann unter Deck, aber einmal mehr auf Deck herrlich
zubereitetes Fleisch.
Einzig die Vernunft bringt uns um Mitternacht endlich einmal wieder in die
Federn.
Am heutigen Tag, dem 12. Dezember, gilt es eben pünktlich zu sein. Termin
um 9 Uhr im Museum und der Poststation von Port Lockroy. Nichts mit
unserem schon fast in Fleisch übergegangenes Motto „jetzt mömer denn
langsam afange pressiere“, sondern in britischer Korrektheit ist uns genau
eine Stunde auf der Insel gewährt. Wir werden freundlich empfangen und
eingeführt, passieren den Pinguin-Highway und tauchen im Museum in die
Zeit um 1950 ein. Und gegen Ende der Stunde zum ersten Mal seit langem
auch wieder richtig in die Gegenwart der Zivilisation, worauf uns der
„Termin“ etwas vorbereitet hatte. Souveniers und vor allem Postkarten,
dazu braucht es ein Portemonaie... und später für die Adressen das Handy.
Fast vergessene Utensilien der nördlicheren Gefilde...
Aber sie sind schnell wieder vergessen auf den Anhöhen über den Kanälen,
wo uns heute die Welt bedeckt, aber nicht minder verführerisch empfängt
und uns unsere Umgebung und südliche Welt voller Glück und Dankbarkeit
überblicken lässt.

















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